Was man über „Varroxal 0,71 g/g Bienenstock-Pulver“,
dem bislang einzigen zugelassenen Varroazid zum Verdampfen, wissen sollte
Das Varroazid „Varroxal 0,71 g/g Bienenstock-Pulver“ steht seit seiner Zulassung in Deutschland (09.09.2023, BfArM Zulassungsnummer für DE: V7013210.00.00) inzwischen für die praktische Anwendung in der Imkerei zur Verfügung. Es ist ein nicht verschreibungspflichtiges Tierarzneimittel zur Bekämpfung der Varroose. Mit ihm liegt erstmals ein Varroazid mit dem Wirkstoff Oxalsäure-Dihydrat vor, das bei der Anwendung in brutfreien Bienenvölkern neben der Träufel- und Sprühapplikation, auch über geeignete Geräte verdampft bzw. sublimiert werden darf.
Hier konzentrieren wir uns auf das Verdampfen. Hervorzuheben ist: mit der Möglichkeit dieses Tierarzneimittel zu verdampfen erfolgte jedoch keine grundsätzliche Zulassung für das Verdampfen mit jedwedem anderen Oxalsäure-Produkt.
■ „Varroxal 0,71 g/g Bienenstock-Pulver“ hoch wirksam gegen die Varroamilben und sehr bienenverträglich
Das Tierarzneimittel wird als feines kristallines Oxalsäure-Dihydrat-Pulver dargereicht und kann verdampft, geträufelt oder gesprüht im Bienenvolk appliziert werden. Die Sublimation bzw. das Verdampfen von Oxalsäure umfasst den Prozess des unmittelbaren Übergangs des Oxalsäure-Dihydrat-Pulvers vom festen kristallinen in den gasförmigen Aggregatzustand, ohne sich vorher zu verflüssigen. Dabei handelt es sich um einen rein physikalischen Vorgang, bei dem das Oxalsäure-Dihydrat chemisch unverändert bleibt. Der Prozess beginnt bei einer Temperatur von 157 °C und endet kurz vor 189,5 °C. Bei höheren Temperaturen zersetzt sich die Oxalsäure. Dem schließt sich die Phase der Resublimation bzw. Deposition feinster Oxalsäure-Dihydrat Kristalle an. Mit den so feinst verteilten Kristallen in der ganzen Beute, kommen die Varroa-Milben über ihre Füße in Kontakt und töten sie. Das gilt jedoch nur für Milben, die sich auf den erwachsenen Bienen, also außerhalb der Brutzellen befinden. Daher sollte die Behandlung auch in brutfreien Völkern erfolgen und kein Flugbetrieb herrschen. Die Wirksamkeit liegt bei >95 Prozent. Der Milbenfall dauert mehrere Tage bis Wochen an. Der Behandlungserfolg ist witterungsunabhängig. Im Gegensatz zur Träufel- und Sprühapplikation vertragen die Bienenvölker das Verdampfen sehr gut.
■ Der Anwenderschutz ist bei der Oxalsäure-Verdampfung wichtig
Beim Verdampfen des Oxalsäure-Dihydrates bilden sich, wie oben erwähnt, feinste kristalline Stäube, die sich auf den Bienen und überall in der Bienenbeute niederschlagen. Durch diese gleichmäßige Verteilung der feinen Partikel wird die hohe varroazide Wirkung möglich. Oxalsäure ist jedoch für Menschen eine gesundheitsschädliche, giftige und ätzende Substanz. Oxalsäure-Dampf kann Verätzungen der Haut und an Schleimhäuten verursachen und im ungünstigsten Fall zu irreversiblen Lungenschäden führen. Deshalb sind beim Verdampfen grundsätzlich Maßnahmen zum Anwenderschutz (persönliche Schutzausrüstung) zu beachten. Bei sachgerechter Anwendung und entsprechender persönlicher Schutzausrüstung besteht jedoch kein gesundheitliches Risiko für den Anwender oder die Anwenderin.
Tragen Sie beim Handtieren mit diesem Tierarzneimittel und während der Applikation am Bienenvolk unbedingt langärmlige Kleidung, säurefeste Handschuhe, eine gut schließende Augenschutzbrille und eine FFP3-Maske. Die Maske sollte mindestens eine 98% Filtergesamtleistung für Partikel bis zu einer Größe von 0,6 µm erreichen. Achten Sie darauf, die FFP3-Maske muss dem jeweiligen Anwender passen, d.h. sie muss dicht sein und gleichzeitig muss man dadurch atmen können.
Beachten Sie zudem die Windrichtung während des Verdampfungsvorgangs. Der Wind soll den Oxalsäure-Dampf vom Anwender fortwehen. Halten Sie Abstand zu den Völkern, die gerade behandelt werden. Im öffentlichen Raum müssen Sie zudem die Sicherheit Dritter im Blick behalten.
Haben Sie stets ausreichend sauberes Wasser griffbereit zur Verfügung, um gegebenenfalls bei Haut- oder Augenkontakt möglichst schnell mit viel Wasser die betroffenen Stellen abwaschen zu können. Suchen Sie sofort einen Arzt auf, wenn Anzeichen einer Vergiftung oder Schäden auftreten.
■ Ist es möglich „Varroxal 0,71 g/g Bienenstock-Pulver“ mit anderen Verdampfern als mit dem „Varrox“ oder dem „Varrox Eddy“ zu verdampfen?
Wenn es um die durch die Zulassungsbehörde genehmigten Anwendungsszenarien geht, ist der Wortlaut im Zulassungstext zum Tierarzneimittel entscheidend. Dort heißt es unter „Art der Anwendung und Dosierung“ wörtlich „Für die Behandlung eines Volkes den gesamten Inhalt eines Beutels oder 2 Messlöffel des Tierarzneimittels in ein geeignetes Gerät zur Verdampfung (z.B. Varrox oder Varrox Eddy Verdampfer) geben. Die Gebrauchsanweisungen des Geräteherstellers befolgen“. Daraus kann geschlussfolgert werden, bei der technischen Applikation des „Varroxal 0,71 g/g Bienenstock-Pulver“ über das Verdampfen im Bienenvolk müssen nicht notwendigerweise nur diese beiden genannten Verdampfer verwendet werden. Der Varrox und der Varrox Eddy Verdampfer sind dort nur beispielhaft aufgeführt. Dieses zugelassene Oxalsäure Dihydrat-Pulver darf also mit allen geeigneten bzw. gängigen Verdampfern sublimiert werden.
Es kommt bei der Nutzung anderer „geeigneter Geräte zur Verdampfung“ als dem Varrox und der Varrox Eddy auch nicht zu einer zulassungsüberschreitenden Anwendung, sprich zu einem Off-Label Use. Als Off-Label-Use bzw. Off-Label-Einsatz bezeichnet man den Einsatz eines (Tier)Arzneimittels außerhalb der von den nationalen oder europäischen Zulassungsbehörden genehmigten Anwendungsszenarien. Dies kann die Indikation, Zielgruppen, Applikationswege, Behandlungsdauer oder die vorgeschriebene Vor- oder Begleittherapie betreffen. Ein Off-Label Use bezieht sich im konkreten Fall bei diesem Varroazid wenn dann auf den Applikationsweg. Der wird aber nicht berührt, so lange das Medikament mit einem geeigneten Gerät verdampft bzw. ansonsten geträufelt oder gesprüht wird. Das Tierarzneimittel darf hingegen nicht kalt-vernebelt werden. Nur das wäre dann eine zulassungsüberschreitende Anwendung und damit ein Off-Label-Einsatz.
Anders sieht es bezüglich der Haftung aus, wenn andere Verdampfer als der Varrox oder der Varrox Eddy eingesetzt wird. Außerhalb des Rahmens der Zulassung hat der Zulassungsinhaber des neuen Varroazides folgendes für die Imkerschaft formuliert: „Der Hersteller empfiehlt die hauseigenen Verdampfer "Varrox" und „Varrox-Eddy“, da diese in den Zulassungsversuchen ausreichend getestet wurden. Die Zulassungsfirma übernimmt dann keine Verantwortung für die Wirksamkeit und den Erfolg der Behandlung, wenn andere Verdampfer genutzt werden“.
Wer also ganz sicher gehen will, dem ist der Einsatz des neuen Varroazides mit den im Zulassungsverfahren geprüften Verdampfern „Varrox" oder „Varrox-Eddy“ zu empfehlen.
■ Viel sichtbarer Dampf sagt nichts über die Funktionstüchtigkeit eines technischen Verdampfers für Oxalsäure aus – entscheiden ist der Wirkungserfolg
Es gibt technische Geräte, die während der Verdampfung intensive weiße Dampfwolken ausstoßen. Manch ein Anbieter und Imker bzw. Imkerin setzt das mit einer guten Wirksamkeit gleich. Weißer Dampf zeigt aber lediglich Wasserdampf an, denn Oxalsäuredampf ist nahezu unsichtbar. Für die Qualität eines geeigneten Gerätes zur Verdampfung ist die Prozessstabilität und die Wiederholbarkeit entscheiden. Dabei erscheint es wichtig, dass sich der Verdampfer nach einem Verdampfungsvorgang im Bienenvolk wieder schnell abkühlt, um dann die nächst Behandlung sicher und bei der richtigen Temperatur wieder durchzuführen. Zudem darf das Oxalsäure-Dihydrat auch nicht zu schnell verdampfen.
Andererseits ist die varroazide Wirksamkeit das entscheidende Kriterium, was am Behandlungserfolg zu messen ist. Dabei zeigen Erfahrungen aus der Praxis, dass dafür die Frage, ob das geeignete Gerät besonders technisch ausgestattet ist, nicht entscheidend ist. Im Gegensatz zu dem Verdampfern Varrox und Varrox Eddy fehlt es grundsätzlich aber an einer vergleichenden Untersuchung bei allen sonst in der Praxis und am Markt verfügbaren Oxalsäure-Verdampfern. Diese Lücke gilt es zu schließen.
■ Nur mit diesem neuen Tierarzneimittel allein wird sich das Varroa-Problem nicht einfach lösen lassen – wir brauchen weiterhin eine Bekämpfungsstrategie
Wenn auch der Wunsch aus der Imkerschaft nachvollziehbar ist, die Varroamilbe allein medikamentös zu kontrollieren, so zeigen die zurückliegenden Jahrzehnte, dass es diese „einfache“ Lösung nicht gibt. Ein Verzicht auf den Einsatz von Varroaziden ist noch weniger zielführen – wissen wir doch, dass Völker ohne eine Bekämpfung der Varroa-Milbe unweigerlich eingehen.
Das neu verfügbare Varroazid „Varroxal 0,71 g/g Bienenstock-Pulver“ mit der Applikationsmöglichkeit dieses im Bienenvolk mit einem geeigneten Gerät zu verdampfen wird das Varroa-Problem allein auch nicht lösen. Es bedarf auch weiterhin einer konsequenten, in die imkerliche Betriebsweise integrierten Varroa-Bekämpfungsstrategie, bei der der Medikamenteneinsatz nur ein Element darstellt. Jeder Einsatz von Varroaziden sollte dabei nach dem Schadschwellen-Prinzip erfolgen.
Beachten Sie bei jedweder Varroazid-Anwendung sorgsam die Angaben in der zugehörigen Packungsbeilage. Dazu gehört auch der Anwenderschutz (persönliche Schutzausrüstung). Denken Sie daran, sämtliche Arzneimittel-Anwendung müssen von Eigentümern beziehungsweise Haltern für die zur Lebensmittelgewinnung dienenden Tiere (Ihre Bienen) nach dem Tierarzneimittelgesetz (TAMG) detailliert dokumentiert werden (Bestandsbuch). Diese müssen zusammen mit Kaufbelegen für eine mögliche Überprüfung durch die Veterinärbehörde fünf Jahre vorgehalten werden.
Weitere Informationen zum Thema finden Sie mit der „Expertenrunde Oxalsäure verdampfen - 08.10.2023“
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